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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

GABEL

Separates, drehbar im > Steuerrohr gelagertes Rahmenteil zur Aufnahme des
Vorderrades.

Diese Aufnahme erfolgt in den > Ausfallenden auf beiden Seiten der > Nabenachse
- eben in gegabelter Ausführung -; vgl. hierzu > Klemmweite.

               Belastung
Während der restliche Rahmen die im Fahrbetrieb auftretenden Kräfte innerhalb
eines "Fachwerkverbundes" aufnimmt, trägt die nur einseitig im Steuerrohr
gelagerte Gabel die ganze Last sozusagen am "langen Arm". Dadurch wird das >
Gabelschaftrohr zum höchstbelasteten Rahmenteil überhaupt:

1. Biegebelastung nach vorne durch Fahrerlast plus vertikale
Beschleunigungskräfte.

2. Biegebelastung nach hinten beim Überrollen von höheren Hindernissen.

Auch die > Gabelbeine unterliegen - kurz unterhalb des > Gabelkopfes - einer
hohen Belastung. Aus diesem Grunde wurden sie früher dort mit einem >
Verstärkungsblech versteift, wodurch übrigens auch ein > Gabelflattern
weitestgehend verhindert wurde. Moderne Gabeln (bes. > Unicrown-Bauweise)
besitzen aus gleichem Grund sog. > Dickendgabelbeine, weisen also an dieser
Stelle eine dickere Wandstärke auf.

Gabelbeine aus > Aluminium haben sich im Gegensatz zu > Gabelschaftrohren aus
diesem Leichtmetall in der Praxis bewährt, da sie a) ausreichend dimensioniert
werden können und b) eine lange > Innenmuffe den kritischen Bereich versteift.

Diese Gabeln fördern den Fahrkomfort, wie der folgende Punkt zeigt:

            Federwirkung
Der > Fahrkomfort eines Rades wird entscheidend durch die Federwirkung der Gabel
bestimmt. Diese Wirkung ist abhängig von Vorbiegung und Dimensionierung der
unteren Gabelbeinenden und auch der Werkstoff (> Elastizitätsmodul) spielt eine
Rolle.

Gabelbeine aus Aluminium weisen eine noch bessere Federungwirkung und damit
höheren Fahrkomfort auf als solche aus > Stahl (1/3 des Elastizitätsmoduls),
solche aus > Carbon reduzieren sie (je nach Bauweise bis zum doppelten
Elastizitätsmodul von Stahl).

Die Gabeln alter Rennräder sind ein klassisches Beispiel für einen idealen
Kraftflußverlauf, da sich mit zunehmendem Hebelarm (vom Ausfallende zum
Gabelkopf hin) der Rohrdurchmesser erhöht, womit die > Biegesteifigkeit
kontinuierlich zunimmt.

        MTB-Gabeln
Vereinfachte Herstellung und clever suggerierte Modetrends ließen die Gabel beim
> Mountainbike andere Wege gehen:

                Straight Fork
Die Ende der 80er Jahre aufkommende > Straight Fork verzichtete auf die bis dato
übliche bogenförmige > Gabelvorbiegung. Um die > Ausfallenden dennoch vor die
Steuerrohrflucht zu verlegen, werden die > Gabelbeine schräg nach vorn stehend
am > Gabelkopf (oder direkt am > Gabelschaftrohr) angefügt.

Straight Forks mangelt es an > Fahrkomfort, da die Federwirkung nicht mehr vom
unteren Gabelbogen erzeugt wird und sie nur noch über die gesamte Länge vor- und
zurückpendeln können. Sie haben allerdings leichte Vorteile beim > Wiegetritt
(geringeres vertikales Wippen) und - da etwas verdrehsteifer - ein geringfügig
direkteres Lenkverhalten.

Diese Bauweise wird seit 1990 von der renommierten Fa. Colnago konsequent auch
für Rennradgabeln angewandt, ist aber wegen der schlechten Federwirkung
umstritten.

                Big Fork
Noch größere Produktionsvereinfachung bringt die sog. > Big-Fork, die vom
Ausfallende bis zum Gabelkopf den gleichen bzw. annähernd gleichen
Rohrdurchmesser aufweist und i.d.R. auch als Straight Fork ausgebildet ist.

Diese Gabeln vermitteln zwar ein - bei Geländefahrt erwünschtes - noch
direkteres Steuergefühl und vermeiden weitgehend das > Stuckern, haben dafür
aber kaum noch Federwirkung. Konsequenz: höhere Belastung für Gabelbeine und
Gabelschaftrohr. Um dem gegenzusteuern, wurden weitere Modetrends kreiert: a) >
Oversize-Gabelschäfte (28,6 und 31,7 mm Durchmesser gegenüber 25,4
normalerweise); b) > Federgabeln.

        Einfluß auf Fahrverhalten
Durch unterschiedliche Bauhöhen (Abstand zw. > Ausfallende und > Steuersatz)
sowie differenzierte Gabelvorbiegung kann man von der Gabel her sowohl >
Lenkwinkel wie > Nachlauf verändern und damit das > Fahrverhalten beeinflußen.

Hebt beispielsweise eine > Federgabel das MTB aufgrund ihrer größeren Bauhöhe
das > Steuerrohr um etwa 5-7 cm an, so flacht der Lenkwinkel um 3-4° ab.

        Materialien
Als Werkstoff für Gabeln hat sich > Stahl bewährt. Aufgrund seiner guten >
Dauerschwingfestigkeit können Stahlgabeln auch relativ leicht konzipiert werden
(Renngabeln bis herunter zu 500 Gramm, MTB-Gabeln 750 Gramm). Durch den Einsatz
von > Aluminium lassen sich lediglich knapp 100 Gramm einsparen und aber
entschieden mehr Fahrkomfort erreichen. Gabeln aus > Titan haben sich nicht
bewährt, hier kam es wiederholt zu Gabelbrüchen.

Bei > Carbon-Gabeln müssen die > Gabelbeine wegen der hohen Belastung in
Wickeltechnik gefertigt werden (vgl. > Carbon: Herstellungsverfahren: Wickeln),
in dieser Bauweise verschlechtert sich jedoch der Fahrkomfort. Der
Gewichtsvorteil liegt - je nachdem, ob auch der > Gabelkopf aus Carbon gefertigt
wurde - bei 100-200 Gramm.

        Gabeln für Trommel- und Scheibenbremsen
Gabeln für > Trommel- und > Scheibenbremsen müssen das > Drehmoment, das durch
die > Bremskraft ausgelöst wird, aufnehmen. Sie müssen daher biegesteifere
Gabelbeine besitzen als bei Verwendung von > Felgenbremsen und sind nach der >
DIN 79 100 am Ausfallende mit einem "T" gekennzeichnet. Die Fa. > Fichtel &
Sachs schreibt für Gabeln, an denen die hauseigene > Scheibenbremse montiert
wird, vor, daß sie einem > Drehmoment von mindestens 300 Nm (s. > Physikalische
Einheiten) standhalten muß.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000