Zurück | Weiter | Inhaltsübersicht

Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

REIFEN

äußeres, mit der Fahrbahn in Kontakt stehendes Bauteil des > Laufrades, welches
per > Reifendruck seine elastisch federnde Eigenschaft erhält. Reifen sind
dadurch die Grundelemente des > Leichtlaufes von Fahrrädern.

Beim ungefederten Fahrrad trägt der Reifen den größten Teil zum > Fahrkomfort
bei, der mit zunehmendem Reifenvolumen und abnehmendem Reifendruck (bei zu
geringem Luftdruck besteht die Gefahr eines > Durchschlags) größer wird. Auch
das gefederte Fahrrad profitiert von dem spontanen Einfederungsverhalten der
Reifen, s. > Fahrradfederungen: Einfluß der Reifen.

Weiterhin obliegt es dem Reifen mit seiner > Bodenhaftung, den Fahrrädern >
Traktion und Spurtreue zu vermitteln. Hierzu müssen Straßenreifen eine gut
haftende > Gummimischung, Geländereifen ein entsprechend ausgeprägtes >
Reifenprofil besitzen.

        Reifenaufbau
Grundsätzlich besteht der Reifen aus:

> Schlauch,
> Karkasse und
> Protektor.

Der Schlauch sorgt für die Lufdichtigkeit, der Karkasse (in Gummi eingelagerte >
Diagonallagen von Textilfasern) kommt die Aufgabe zu, die vom Reifendruck
erzeugten Kräfte aufzunehmen und den Reifen in seiner Form zu stabilisieren. Der
auch "Laufstreifen" genannte Protektor stellt Rollbahnkontakt her und besteht
aus abriebfestem aber gut haftendem > Gummi und wird entweder auf die Karkasse
geklebt oder einvulkanisiert (s. > Vulkanisieren). In beiden Bauformen >
Drahtreifen und > Schlauchreifen bilden Karkasse und Protektor eine den Schlauch
umhüllende Einheit.

        Drahtreifen
Die Einheit wird beim Drahtreifen "Decke" oder "Mantel" genannt und in der >
Felge mittels > Felgenhörnern zentriert. Der Schlauch wird als separates Teil
lose zwischen Felge und Decke eingelegt. In den Rändern der Karkasse
einvulkanisierte Armierungen (der > Reifendraht) verhindern eine
Durchmesseraufweitung des Reifens, so daß der Reifenluftdruck die Decke nicht
über die Felgenkante hinweg abspringen lassen kannn.

Die übliche Reifenarmierung wird mit Stahldraht vorgenommen, daher auch der Name
Drahtreifen. Schnüre aus Nylon-, Aramid- oder (selten) Glasfasern als Armierung
machen den Drahtreifen faltbar (s. > Faltreifen) und ersparen 50 bis 100 Gramm
Gewicht.

        Schlauchreifen
Der Schlauch wird bei diesem Reifentyp rundum in die Karkasse eingenäht, wodurch
der Reifen zum kompletten Bauteil wird. Die Fixierung auf der Felge erfolgt
mittels > Reifenkitt oder doppelseitig klebendem > Reifenklebeband in dem
muldenförmig ausgebildeten Felgenbett der Schlauchreifen-Felgen.

        Vergleich
Während Drahtreifen bei allen Fahrradtypen eingesetzt werden, sind
Schlauchreifen dem Rennsport vorbehalten. Schlauchreifen besitzen leichte
Gewichtsvorteile und einen etwas besseren Fahrkomfort. Letzteres resultiert
daraus, daß der unter Luftdruck gesetzte Reifen nicht die Spannungsspitzen des
Drahtreifens im Bereich des Reifendrahtes besitzt und dadurch in sich homogener
die Fahrbahnunebenheiten etwas günstiger auspuffern kann.

Daraus, sowie von der Verwendung dünnerer und leichterer Schläuche ergeben sich
darüberhinaus geringe Vorteile hinsichtlich des > Leichtlaufes für den
Schlauchreifen. Drahtreifen sind im Gebrauch preiswerter, da sich >
Reifendefekte leicht und schnell beheben lassen, während Schlauchreifen nach
Defekten i.d.R. ausgedient haben. Zwar ist auch hier eine Reparatur möglich,
aber sehr umständlich und zeitaufwendig, vgl. > Reifenreparaturen.

Hinsichtlich Reifendefekten neigen Schlauchreifen häufiger zum sog.

"Schleicher", das sind kleine Undichtigkeiten, bei denen die Luft erst im
Stundenzeitraum entweicht. Bei Drahtreifen dagegen kommt es häufiger durch die
Felgenhörner zum > Durchschlag. Unterwegs ist bei Reifendefekten ein
Schlauchreifen schneller zu wechseln, als ein Drahtreifen zu flicken resp. sein
Schlauch auszutauschen. Mehr hierzu siehe > Reifenmontage.

Auf der Felge sitzen Drahtreifen sicherer und i.d.R. durch die Felgenhörner
zentriert auch rundlaufender. Neben verbessertem Leichtlaufverhalten und
Gewichtsreduzierung ein Grund, daß Drahtreifen nun auch im Radrennsport vermehrt
eingesetzt werden. Trotz einiger Vorzüge gerät der Schlauchreifen daher immer
mehr ins Hintertreffen.

        Rolleigenschaften
Sie hängen in erster Linie vom > Reifendruck ab, da der > Rollwiderstand eines
Reifens nahzu linear mit zunehmendem Luftdruck sinkt. Weitere
Leichtlauf-Kriterien sind Lage und Material der Karkassenfäden, Gummimischung,
Schlauchmaterial usw., Einzelheiten s. > Rolleigenschaften.

        Leuchtstreifen
Vom Gesetzgeber zugelassen ist ein auf der Reifenflanke aufgebrachte
Leuchtstreifen als Ersatz für die üblichen Speichenreflektoren (s. > Reflektor).

Der Radfahrer muß sich aber bewußt sein, daß die Sichtbarkeit der Leuchtstreifen
bei Reifenverschmutzungen drastisch nachläßt.

        Dynamo-Rändelung
Für den Betrieb von > Seitendynamos besitzen handelsübliche Standardreifen eine
leicht erhabene Rändelung. Damit wird die Gefahr des Dynamodurchrutschens sowie
die von Reifenschädigungen reduziert.

        Sonderreifen
Reifen mit besonderen Eigenschaften, die in der Regel mit verbessertem
Leichtlauf oder > Pannensicherheit aufwarten. Noch ohne nenneswerte
Marktbedeutung, könnten jedoch die beiden nachfolgend aufgeführten Reifentypen
zukünftig größere Verbreitung finden:

                Gürtelreifen
Immer mal wieder auch für Fahrräder angedachter Reifentyp, der am Auto Standard
ist. Bei diesem "Radialreifen" sind zusätzlich zu den Karkassenfäden in >
Diagonallage noch solche in > Radiallage angeordnet, die den Reifen im Bereich
der Lauffläche in Umfangsrichtung wie ein Gürtel umfassen.

Dadurch fiele der Wulst, den der Reifen bei seinem Abrollen vor sich her
schiebt, kleiner aus, der > Rollwiderstand reduzierte sich merklich. Erste
Versuche in dieser Richtung wurden mit Fahrradreifen bereits Ende der 50er Jahre
von dem DDR-Tüftler Ringkowsky gemacht.

Da beim Fahrradreifen der Radialgürtel Einfluß auf den Kurvenschräglauf besitzt,
wurde der "reinrassige" Gürtelreifen für Fahrräder bisher noch nicht serienmäßig
hergestellt, es wurden aber immerhin Reifen mit in diese Richtung gehenden
Eigenschaften hergestellt:

1. Panaracer "Magic"-MTB-Reifen (1994), bei dem über der eigentlichen Karkasse
ein Gewebe mit unterschiedlich elastischen Fäden aufgebracht wird, wobei die
Fäden in Reifenumfangsrichtung die Walkausbildung ebenfalls weitestgehend
vermeiden;
2. hochwertige Schlauch- und Drahtreifen erzielen per > Pannenschutzstreifen
über der Karkasse Ähnliche Effekte, da eine Faserichtung des Gewebes ebenfalls
radial verläuft.

                Schaumreifen
Bereits um 1870 gab es Vollgummireifen mit schaumstoffartigem Innenteil. Dieses
Prinzip ließ die englische Firma Green Tire 1992 wieder aufleben. Der
Schaumstoff wird dabei so hart und elastisch abgestimmt, daß der Reifen in
seinem Abrollverhalten dem üblicher Luftreifen (3 bis 3,5 bar bei MTB, 6,5 bis
7,5 bar bei Rennreifen) entspricht.

Die verwendeten Materialien werden ständig verbessert, so daß heute bereits
Fahrkomfort, Leichtlauf und Gewicht dieser Reifen denen der luftgefüllten Reifen
nahekommt. Dem Vorteil, daß nun Reifenpannen vergessen werden können, steht eine
mühselige und kraftraubende Reifenmontage gegenüber. Weiterhin müssen die Reifen
auf exakt bemessene Felgen aufgezogen werden, ansonsten schwankt der Reifen im
Felgenbett oder kann abspringen.

Weitere Informationen zum Thema s. die mit Reifen- beginnenden Stichwörter und
v.a. auch die speziellen Reifentypen:

>Bahnreifen
>Ballonreifen
>Geländereifen
>Rennreifen
>Slicks.



Zurück | Weiter | Inhaltsübersicht

Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

 


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000