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Kapitel 6 Innenlager und Kurbel

Unter anderem ist es der Kurbelantrieb, der das Radfahren zu einer der effizientesten Fortbewegungsarten gemacht hat. Wir treten im Kreis herum und vermeiden auf diese Weise die beim Gehen oder Laufen entstehenden Totpunkte. Und exakt das ist auch der Grund, weshalb alle Pendel- oder Ruderantriebe gegenüber dem Kurbelantrieb energetische Nachteile aufweisen. Abgesehen von den Kurbeln selbst gehören auch die Kettenblätter und die Tretlagerung zum Kurbelantrieb. Werfen wir also zunächst einen Blick auf die Tretlagerung:

 

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Innenlager

Klassische Konus-Lagerung

Aus dem vollen gedreht oder geschmiedet, sind auf der Tretlagerachse gleich die Konen eingearbeitet. Diese und die ins Tretlagergehäuse geschraubten Lagerschalen bilden die Laufbahnen für lose eingelegte bzw. mittels Käfig gehaltener Kugeln. Die rechte Lagerschale wird fest gegen den Bund des Tretlagergehäuses geschraubt. Mit der linken Schale erfolgt die Einstellung des Lagerspiels, wobei ein Gewindering per Konterung die gewünschte Stellung fixiert. Konus-Innenlager sind relativ biegesteif und bei guter Materialqualität, hoher Oberflächengüte und hinlänglicher Dichtung ausgesprochen langlebig. Probleme sowie vorzeitiger Verschleiß treten allerdings sofort dann auf, wenn Gewinde und Bund des Tretlagergehäuses nicht fluchten.

Nebenbei bemerkt: Die Tretlagersachse "leidet" praktisch seit eh und je unter ihrem falschem Namen, normalerweise müßte sie, da es sich um ein drehendes Teil handelt, das Beiwort "Welle" erhalten.

 

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Lagerung mit Industrie-Kugellager

Bei prinzipiell gleichem Aufbau sitzen Industrie-Kugellager innen auf der Achse und außen in den Lagerschalen. Die Lagereinstellung geschieht wiederum mit der linken Lagerschale und einem Gewindering. In einigen Ausführungen werden beide Schalen per Gewindering gekontert, wodurch eine leichte axiale Verschiebung (Kettenlinien-Korrektur) möglich ist. In den Varianten mit doppelreihigen Kugellagern oder jeweils zwei Kugellagern pro Lagerstelle sind es nach wie vor langlebige und steife Tretlagerungen - eine große Stützbreite (Abstand der rechten und linken Lagerstelle voneinander) und eine zufriedenstellende Dichtung vorausgesetzt.

 

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Patronenlagerung

Die Laufbahnen für die Kugeln werden mittels Rillen in der Tretlagerachse und stellvertretend für die beiden Lagerschalen in eine stabile Hülse eingebracht. Damit ist diese Lagerung unabhängig vom Tretlagergehäuse auf den Punkt genau fluchtig ausgerichtet und bereits vom Werk aus auf ein optimales Lagerspiel abgestimmt. Die Hülse wird dann mit Hilfe zweier Gewindeschalen im Tretlagergehäuse festgeschraubt, die Lagereinstellung entfällt. Patronenlager warten in der Regel mit einer hervorragenden Dichtung auf und besitzen eine ausgezeichnete Material- und Oberflächengüte. Bei kleinen Stützbreiten kommt es jedoch oftmals zu Umwerfer-Schwierigkeiten und frühzeitigen Lagerschäden.Nach entsprechendem Gebrauch (je nach Fahrweise zwischen 2.000 und 8.000 Kilometer) stellt sich zudem ein minimales seitliches Lagerspiel ein.

Als extrem biegesteif haben sich die Innenlager-Patronen mit einer Vielzahnbefestigung der Kurbeln herausgestellt. Von Shimano für die gehobeneren Gruppen konzipiert, ersetzt eine Hohlwelle mit 22 mm Durchmesser die übliche Tretlageachse, womit sich die Biegesteifigkeit in etwa verdreifacht. Damit ist dann auch gleich das alte Problem Kurbelvierkant und die sich verändernde Kettenlinie vom Tisch:

Hier rutschte die Kurbel bei jedem neuen Aufziehen etwas weiter auf den Kurbelvierkant, so daß einige Hersteller sogar empfahlen, die Verbindung trocken, sprich ungefettet herzustellen - was eine Kontaktkorrosion mit teilweise schier unlösbaren Verbindungen zur Folge hatte. Hier hat Shimano mal wieder perfektioniert: Die Kurbelschraube zieht den Vielzahl auf Anschlag und damit steht die Kettenlinie für alle Zeiten, auch wenn die Kurbel mehrfach abgezogen und wieder montiert wird. Ein vorn konischer Teil der Welle sorgt darüber hinaus für einen wackelfreien Sitz, schützt demnach die Kurbeln vor Verkantung auf der Welle. Die Sache mit der Kontaktkorrosion ist a) durch üppige Fettung und b) durch weitaus geringere Mikrobewegungen zwischen den beiden mittlerweile entschieden steiferen Bauteilen ebenfalls erledigt.

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Haltbarkeit/Verschleiß

Für den Normalradler hält beinahe jede Tretlagerung eine Ewigkeit. Sportliche Fahrer dagegen haben häufig Ärger mit ihrem Tretzentrum. Unter Berücksichtigung der auf diese Lagerung einwirkenden Kräfte wird das auch verständlich: Bereits ein einigermaßen energischer Wiegetritt belastet das Pedal mit rund 1.500 Newton, welche über die Kurbel und das seitlich abstehende Pedal mit Hebelgewalt der Tretlagerachse aufgebürdet werden. Diese biegt sich bei dieser Tortur - je nach Stützbreite und Achsdurchmesser (vorübergehend, also elastisch) - um 0,5 bis 0, 9 mm durch. Ja, sie verwindet sich sogar, wenn die Power von der linken Kurbel her eingeleitet wird, um auf dem Umweg über Vierkant und rechte Kurbel auf Kettenblatt und Kette zu gelangen. Folge: Die Kette ratscht am Umwerfer entlang, Lagerschalen lösen sich und letztlich feiert der Verschleiß an diesem zusätzlich noch dem Straßenschmutz ausgesetzten Fahrradteil wahre Orgien.

Angesichts dessen, daß bei ihnen die Lagereinstellung flachfällt, ihre Montage demnach fixer vonstatten geht, haben sich jüngst Patronenlagerungen immer mehr durchgesetzt. Diese an und für sich exakteste aller Tretlagerungen brachte bedauerlicherweise eine Achsdurchmesser-Reduzierung mit sich. Außerdem wurde die Stützbreite (Abstand zwischen den beiden Lagerstellen) teilweise verkleinert und die Achsbreite durch stärker gekröpfte Kurbeln verkürzt.

Das bedeutet:

1. Durchmesser-Reduzierungen haben ebenso wie Vekleinerungen der Stützbreite eine noch gewaltigere Achsbiegung zur Folge.

2. Die schwächste Stelle der Tretlagerachse, der Vierkant, wird durch die Achsverkürzung nun vermehrt auf Biegung belastet (die Pedale bleiben ja an Ort und Stelle), was die Achsbruchgefahr erhöht.

Solche Patronenlagerungen sind daher ausschließlich eine Sache für den Gelegenheits-Pedalisten. Sportliche Biker sollten sich lieber wieder auf die klassische Konus-Tretlagerung bzw. die Varianten mit den doppelreihigen Industrie-Kugellagern oder zwei Lagern pro Lagerstelle besinnen.

 

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Tips zur Tretlagerung

1. Verzichten Sie beim Konus-Kugellager auf die Kugelkäfige und legen Sie die Kugeln einzeln ein. Dadurch bekommen Sie zwei bis drei Kugeln mehr in die Lagerschale, die Belastung verteilt sich gleichmäßiger.

2. Stellen Sie beim Kontern die Lagerung nicht bloß spielfrei, sondern auch etwas strammer (man muß den Kugellauf spüren, wenn man die Achse von Hand dreht) ein. So werden bei den Achsdurchbiegungen mehr Kugeln "in die Zange" genommen und die Lasten gerechter verstreut.

3. Bereits beim Rahmenkauf können Sie entscheidend Einfluß nehmen: Wählen Sie aus dem Angebot möglichst einen Rahmen mit einem italienischen Gewinde (36 x 24), denn diese sind mit einem breiteren Tretlagergehäuse sowie einer Konusachse mit größerer Stützbreite ausgestattet.

4. Beim italienischen (36 x 24) und beim französischen (35 x 1) Tretlagergewinde sollte vorsorglich die rechte Lagerschale mit Schraubenkleber "mittelfest" eingesetzt werden. Beide haben nämlich auch auf der Kettenblattseite ein Rechtsgewinde, welches unter kraftvollen Tritten zur Selbstlösung neigt.

5. Verschleißen Ihre Innenlager sehr rasch, Ihr Tretlagergewinde vom Händler kontrollieren und gegebenenfalls nachschneiden und unbedingt die Planflächen des Tretlagergehäuses nachfräsen lassen. Denn stehen beide Lagerschalen nicht hundertprozentig in Flucht und versatzfrei zueinander, muß sich das Innenlager mit ungünstigen Belastungsverhältnissen rumschlagen und verschleißt noch früher.

6. Bei einem beschädigten Gewinde des Tretlagergehäuses ist der Rahmen keineswegs schrottreif. Bei 1,37 x 24-Gewinde kann das größere 36 x 1-Gewinde eingeschnitten, beim "vernudelten" 36 x 1-Gewinde kann auf die Mavic-Patrone zurückgegriffen werden. Hierbei wird die Patrone von zwei Kegelringen gehalten, wozu vorher die Kanten des Gehäuses kegelig anzufräsen sind.

7. Kaufen Sie ausnahmslos Innenlager mit großer Stützbreite. Gemeint sind die klassischen konusgelagerten sowie die FAG- und SSK-Patronen (weitere Angaben in der Tabelle). Sie verkürzen damit den Hebelarm Pedal/Lagerstelle und minimieren die elastischen Achsdurchbiegungen.

8. Lösen Sie alle 1.500 Kilometer die Kurbel und montieren Sie sie um 90 Grad versetzt wieder ans Velo. Wie die Verschleißspuren beweisen, erzeugt jeder Radler bei seinem (noch so runden) Tritt Lastspitzen. Mit dem Versetzer-Trick vermeiden Sie das "Einlaufen" auf einer Stelle der Tretlagerachse.

9. Im Zweifelsfalle eine gedichtete Innenlagerversion nehmen, denn eingedrungener Schmutz beschleunigt den Verschleiß.

 

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Rund ums Innenlager

Die Achsbreiten der Tretlagerungen richten sich nach der Anzahl der Kettenblätter, nach der Kurbelkröpfung und der Ausbildung der Vierkante von Kurbel und Achse. Bei der heutigen Vielfältigkeit an Innenlagern und Kurbelgarnituren herrscht hier ein lebhaftes Chaos in punkto Maßeinheiten, so daß keine umfassenden Angaben gemacht werden können. Nur soviel: Die Achsvierkante von Campagnolo, Mavic und Stronglight sind schlanker ausgeführt. Shimano- und Suntourkurbeln rutschen ca. 4,5 mm weiter auf und können nicht ausreichend (Anschlag) festgezogen werden. Umgekehrt besitzen Kurbeln von den vorgenannten Herstellern ebenfalls kleinere Innenvierkante, so daß, auf Shimano-Achsen aufgezogen, die Stecktiefe um 4,5 mm geringer ausfällt. Achtung: Es besteht fortan ein höheres Achsbruchrisiko.

Ungefähr alle 1.000 Kilometer sollte die Tretlagerung auf Spielfreiheit geprüft werden, siehe Bild. Konus-Innenlager sind nach spätestens 6.000 Fahrkilometern auszubauen, zu säubern und bezüglich Verschleiß zu untersuchen. Anschließend mit eventuell erneuerten Teilen und gut gefettet wieder einbauen. Auch hierzu eine Bildreihe. Tretlagerungen mit Industrie-Kugellager können bei Lagerspiel nachgestellt werden, bei Verschleiß ist der in einer Fotoserie dargestellte Austausch angesagt. Bei Patronenlagerungen läßt sich ein Lagerspiel nicht nachstellen, hier muß ein Komplettaustausch vorgenommen werden. Für die gängigsten Typen erneut bildlich festgehalten.

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Kurbelgarnituren

Sämtliche Produzenten bemühen sich, dieses augenfälligste Teil des Antriebs möglichst schick und elegant zu gestalten. Und die Optik war auch jahrelang bei der Kaufentscheidung ausschlaggebend. Mittlerweile sind andere Kriterien in den Vordergrund gerückt: Parallel zu der Funktionsverbesserung der Schaltanlagen wurden die Komponenten penibel aufeinander abgestimmt und wild zusammengewürfelte Bauteile unterschiedlicher Fabrikate harmonierten plötzlich nicht mehr ohne weiteres miteinander. Speziell auf die Kurbelgarnitur bezogen, ist es die Kettenlinie, die durch die Achsbreite des Innenlagers und der Vierkant-Dimensionierung bestimmt wird. Sie muß haarscharf mit den hinteren Ritzeln abgestimmt sein, um einen unnötigen Schräglauf der Kette und damit verbundenes Kettengeratsche an den anderen Kettenblättern oder der Umwerfergabel zu vermeiden. Weiterhin sind die Schaltungsketten schmaler geworden und mit ihnen der Abstand zwischen den einzelnen Kettenblättern. Bei alten Kettenradgarnituren mit einem breiten Abstand der Kettenblätter voneinander verklemmen sich die modernen, schmalen Schaltungsketten.

Die Kettenblätter sind - zwecks besserer Schaltbarkeit - mit leicht gekürzten Zähnen bestückt oder verfügen über Schalthilfen in Form von speziell ausgeformten Zähnen sowie Hilfszähnen, um den Kettenblattwechsel so präzise wie nur irgend möglich und sogar unter leichter Last zu ermöglichen. Unterschiede bestehen diesmal im sogenannten Lochkreisdurchmesser, den Abständen der Bohrungen also, in denen die Kettenblätter an den Kurbelstern der rechten Kurbel fixiert werden. Er begrenzt gleichzeitig die Zähnezahl des jeweils kleinsten, auf den Lochkreis anzubringenden Kettenblattes und geht so mitbestimmend in die Übersetzungspalette des Velo-Getriebes ein. Gerade durch die neuen Microdrive-Garnituren sind die differierenden Abmessungen von Hersteller zu Hersteller, bei manchen Anbietern auch innerhalb der Modellreihen, geradezu verwirrend. Einen Überblick verschafft Ihnen die nebenstehende Tabelle "Lochkreis-Durchmesser".

 

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Lochmaße der Kurbelsysteme

 

Kurbel-Typ Lochmaß Kleinstes Kettenblatt
Campagnolo (alt) 85 mm 41 Zähne
Campagnolo (neu) 79 mm 39 Zähne
Shimano 76 mm 38 Zähne
Stronglight (SUP) 72 mm 36 Zähne
MTB Standard 65 mm 34 Zähne
Microdrive Shimano 58 mm 32 Zähne
Microdrive Suntour 56 mm 32 Zähne
SR/Sugino 50 mm 28 Zähne
MTB kleines Blatt 43 mm 24 Zähne
Microdrive Shimano 34 mm 20 Zähne
Microdrive Suntour 33 mm 20 Zähne

Umrechnung zum Lochkreisdurchmesser: Lochmaß/0,587785

 

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Kurbelbruch

Der anfänglich erwähnte Formenfluß von Kurbeln und Kurbelsternen macht die Kurbeln nicht nur ästhetischer, sondern mit einem zunehmend flächigeren Design auch bruchsicherer. Ältere Garnituren besaßen manchmal Nuten oder sonstige, vornehmlich aus Gewichtsgründen erfolgte Ausnehmungen. Verglichen mit gegenwärtigen Kurbelgarnituren kam es daher öfters zum Bruch. Im Zuge der Leichtbauwelle wird in dieser Hinsicht erneut gesündigt: Amerikanische Hersteller schlagen nicht selten sämtliche Maschinenbau-Gesetzmäßigkeiten buchstäblich in den Wind. Zwei Beispiele:

1. Die Kurbeln werden aus Alu-Blechen gefräst, damit verläuft die Faserrichtung (Sprengkräfte an Vierkant- und Pedalauge) ungünstiger als bei geschmiedeten Kurbeln.

2. Kurbeln unterliegen außer den Biegebelastungen durch das seitlich abstehende Pedal auch Torsionskräften; und die wirken überwiegend an der Kurbel-Oberfläche. Ausgefräste Nuten im Zuge einer Gewichtserleichterung bedingen, daß die Torsionskräfte hier sozusagen "abtauchen" müssen. Näher zur Materialmitte hin setzt der Werkstoff nun aber den Torsionskräften weniger Widerstand entgegen. Es kommt zu bruchgefährdeten Kanten.

Zu bedenken ist ferner, daß die Kurbeln langjährig gefahren werden, das heißt einer extremen Dauerbeanspruchung unterliegen. Daher benötigen die Kurbeln gewisse Reserven gegen Materialermüdung und Korrosionseinflüsse. Andererseits hat es sich gezeigt, daß gerade die massigen Kurbeln bei Pedalaufsetzern oder "Feindberührung" (Baumstumpf, Spurrillenkante) nicht genügend federn können - durch elastisches Nachgeben also dem Stoß die Wucht nehmen. Sie brechen daher schneller als die schlankeren Konkurrentinnen. Bevorzugen Sie daher den goldenen Mittelweg, sprich schlanke, aber nicht ausgefräste oder ausgebohrte Kurbeln.

 


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 - 03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 24.08.1999